SWOT – ein Baustein im strategischen Dreiklang

Haben Sie auch schon Workshops erlebt, in denen die Diskussionen zur SWOT-Analyse zur Quasselbude verkommen sind? In denen Meinungen aufeinanderprallten anstatt über Fakten zu diskutieren? Dabei ist die SWOT-Analyse nach wie vor ein wesentliches Element des Strategieentwicklungsprozesses.

Die SWOT-Analyse wurde in den 1960er-Jahren an der Harvard Business School zur Anwendung in der Strategieentwicklung von Unternehmen entwickelt.[1] Der Grundgedanke der SWOT-Analyse ist natürlich erheblich älter als ihre Anwendung in modernen Unternehmen. Und da es sich um ein Element der Strategieentwicklung handelt, ist es nicht verwunderlich, dass diese Gedanken aus dem militärischen Umfeld stammen.

So sagte schon der chinesische General, Militärstratege und Philosoph Sunzi (544 – 496 v. Chr.): „Wenn du den Feind und dich selbst kennst, brauchst du den Ausgang von hundert Schlachten nicht zu fürchten. Wenn du dich selbst kennst, doch nicht den Feind, wirst du für jeden Sieg, den du erringst, eine Niederlage erleiden. Wenn du weder den Feind noch dich selbst kennst, wirst du in jeder Schlacht unterliegen.“[2]

Das dahinterliegende Denkschema nenne ich strategischer Dreiklang: Ansprechen – Beurteilen – Folgern!

Der Grundgedanke lautet: analysiere das Umfeld sorgfältig auf Chancen und Risiken oder Gefahren und mache Dich Deiner eigenen Stärken und Schwächen bewusst. Der Kern der Strategieentwicklung besteht dann in der Entscheidung darüber, welche dieser Stärken (Kernkompetenzen) das Unternehmen nutzen will, um Chancen (Erfolgspotentiale) zu nutzen und letztlich den unternehmerischen Erfolg zu realisieren. Hinzu kommt zu guter Letzt die Strategieumsetzung, also die Festlegung der Maßnahmen und die Auswahl geeigneter Kennzahlen zur Fortschritts- und Erfolgskontrolle.

Doch auch über ein halbes Jahrhundert nach der Erfindung der SWOT-Analyse gibt es noch immer Missverständnisse und Unklar­heiten bezüglich des Inhalts und der Anwendung: die SWOT-Analyse ist eben nur der mittlere Teil des strategische Dreiklangs.

Wenn SWOT für „Significant Waste of Time“steht

Meiner Erfahrung nach sind die nachfolgenden Fehler keine Seltenheit, sondern weit verbreitet:

Häufige Fehler in der Praxis

  • Der Analysegegenstand ist unklar, das ‚Ansprechen‘ im Sine des strategischen Dreiklangs fehlt. Was soll eigentlich der SWOT-Analyse unterzogen werden? Wenn das nicht hinreichend klar formuliert ist, verkommt die SWOT-Anylse zu einem reinen Brainwriting. Ganz nach dem Motto: „Wir setzen uns jetzt mal zusammen und erarbeiten die SWOT“.
  • Der Beurteilungsmaßstab ist völlig unklar. Wann ist eine Stärke eine Stärke, oder gar eine Kernkompetenz? Woran wird das für alle Prozessbeteiligten transparent und eindeutig festgemacht?
  • Unklare Unterscheidung zwischen internen und externen Faktoren: Die Unterscheidung von Chancen und Stärken, beziehungsweise von Gefahren und Schwächen, führt immer wieder zu Unsicherheiten.
  • Unklare Abgrenzung von Chancen und noch nicht realisierten Handlungsoptionen, bzw. von Risiken und noch nicht realisierten Vermeidungsstrategien.
  • Unsicherer Umgang mit der Ambivalenz von Chancen und Gefahren. Ist beispielsweise „Digitalisierung“ eine Chance oder ein Risiko? Wie geht man mit solchen Zweischneidig­keiten um?
  • Unklare Einbindung und Nutzen der SWOT-Analyse innerhalb des Strategieprozesses. Das ‚Folgern‘, der dritte Teil des Dreiklangs, ist von der eigentlichen SWOT klar zu trennen. Wie lauten die Schlussfolgerungen aus der SWOT-Analyse, welches sind die strategischen Handlungsoptionen?
  • Unklare Einbindung und Nutzen des Strategieprozesses für das operative Tagesgeschäft: die Umsetzung und das Follow Up.


SWOT als Teil des strategischen Dreiklangs

Wird die SWOT-Analyse als solche klar vom Analysegegenstand getrennt, dann liefert sie ein hervorragendes Verständnis über das Unternehmen (Stärken und Schwächen/ Kernkompetenzen) sowie über das Umfeld (Chancen und Risiken/ Definition von Erfolgspotentialen, in denen das Unternehmen agiert.

Was auf den ersten Blick nach einer Erhöhung der Komplexität aussieht, trägt erheblich zur gedanklichen Einfachheit, Klarheit und Stringenz im strategischen Planungsprozess bei und führt zu einem weitaus größeren Nutzen der SWOT als fruchtlose, weil auf wenig fakten basierende Diskussionsrunden.

Gegenstand der SWOT-Analyse sind:

  • Erzielte Ergebnisse in der Vergangenheit. Dies betrifft alle als relevant erkannten Erfolgsindikatoren und Leistungskennzahlen im Hinblick auf die wesentlichen Interessengruppen (Stakeholder) des Unternehmens.
  • Beschreibung der wesentlichen Prozesse, die zu den o.a. Ergebnissen geführt haben (Erfolgsindikatoren).
  • Definition und Beschreibung der relevanten externen Analysefelder. In welchen Märkten bewegt sich das Unternehmen? Welche technologischen Trends beeinflussen heute und in Zukunft unser Tun (z.B. Digitalisierung)? Welche gesetzgeberischen Aktivitäten werden unser Handeln betreffen? Wer sind unsere Wettbewerber und was machen diese? Wie entwickelt sich die Bevölkerung (demographischer Wandel) und das Arbeitsplatzangebot? Usw., usw.

Auf der Basis dieser Fakten findet dann deren Beurteilung statt – die eigentliche SWOT-Analyse. Wichtig ist in diesem Zusammenhang ferner, dass ein gemeinsames Verständnis über die Bewertungsmaßstäbe entwickelt wird. Was für den einen sehr gut ist, ist für den anderen gerade mal eben ein guter Anfang. Auf diese Weise schafft es die Unternehmensführung, einen Standard für die Unternehmensleistung zu artikulieren und zu kommunizieren.

Das dargestellte Arbeitsblatt (bitte auf die Graphik klicken um das EXCEL-file zu öffnen) bezieht sich – als Beispiel – auf einen Aspekt des Erfolgsfaktors ‚Führung‘ (des Unternehmens). Grundlage der SWOT-Analyse ist in diesem Beispiel die Beschreibung der wesentlichen Bemühungen des Unternehmens (Strukturen, Prozesse, Entscheidungen etc.) im Hinblick darauf, wie das Unternehmen mit Veränderungen des Umfeldes im weitesten Sinne umgeht. Es geht also im Kern um die Frage, inwieweit die Führungskräfte die Flexibilität des Unternehmens sicherstellen und dafür sorgen, dass Veränderungen angenommen, sowie agil und effektiv umgesetzt werden.

Bewertet werden die Ansätze in einem transparenten Verfahren:

  • Gibt es (überhaupt) Vorgehensweisen/ Prozesse zu diesem Aspekt und wie systematisch sind sie?
  • Wenn es sie gibt: werden sie im Unternehmen auch tatsächlich umgesetzt?
  • Und schließlich, quasi die Königsdisziplin: wenn die systematischen Prozesse tatsächlich angewendet werden, wird ihre Wirksamkeit belastbar überprüft und werden die Prozesse ggfs. entsprechend angepasst?

Im abschließenden Schritt des strategischen Dreiklangs – dem Folgern – werden die strategischen Handlungsoptionen identifiziert, bewertet und priorisiert und schließlich ausgewählt. Das ‚Folgern‘ gehört nicht mehr zur SWOT-Analyse, sondern basiert auf dieser. Das ist nur scheinbar eine Banalität, wie ich in vielen Strategie- und ähnlich gelagerten Moderationen, zum Beispiel in Problemlösungsworkshops erfahren durfte.

Zum Folgern gehört natürlich auch noch der wesentliche Aspekt des Strategieprozesses, nämlich die Strategieumsetzung und die Erfolgskontrolle.

Derart angewendet, stiftet die SWOT großen Nutzen und wird zu einem zentralen Instrument im Prozess der Strategie­entwicklung.

 

Nutzen der SWOT-Analyse im Strategieentwicklungsprozess

  • Systematisches Denk- und Arbeitsmodell
  • Übersichtliche Zusammenfassung der Stärken, Schwächen, Chancen und Gefahren
  • Optimale Grundlage zur Entwicklung strategischer Handlungsoptionen
  • Priorisierung der zusammengeführten Handlungsoptionen nach deren Wichtigkeit
  • Kann sowohl für ganze Unternehmen als auch für Teams und Prozesse angewandt werden
  • Wirksames und effizientes Strategietool, auch zur Verbesserung der Kommunikation nach Innen und nach Außen

Die dargestellten Grundsätze sind wesentlicher Bestandteil unserer IMPOVE®-Systematik für die Führungsprozesse in mittelständischen Unternehmen, insbesondere für die Strategieentwicklung.

Wenn Sie Fragen haben, freuen wir uns auf Ihre Kontaktaufnahme unter michael.kohlhaas@manufaktur-fuer-fuehrungskultur.de

 

[1] Kotler, P. Berger, R. & Rickhoff. N. (2010). The Quintessence of Strategic Management. Springer-Verlag: Berlin, S. 30

[2] Clavell, J. (Hrsg.): (1988) Sunzi, Die Kunst des Krieges. Droemer Knaur, München, S. 39

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