Fachkräftemangel – das Ende der hierarchiefreien Unternehmen?

„Selbst ist das Team“ – so ist der Artikel in der FAS vom 28.01.2024 überschrieben. Es geht dabei um Erfahrungen mit der Abschaffung von Hierarchieebenen in Unternehmen und wie so oft in diesem Kontext, dient Buurtzorg, ein ambulanter Pflegedienst in den Niederlanden, als Beispiel für diese Organisationsform. Deren wichtigstes Prinzip lautet: die Arbeit in der Pflege möglichst mitarbeiterzentriert zu gestalten. Flache Hierarchien sind die Folge.

In dem Artikel wurde in diesem Zusammenhang auch über ein zweijähriges Experiment bei der AOK Baden-Württemberg berichtet, das 2021 endete. Das Experiment wurde wissenschaftlich begleitet von Josephine Hofmann, Teamleiterin  „Zusammenarbeit und Führung“ am Fraunhofer Institut für Arbeitswissenschaft und Organisation in Stuttgart. Auch bei diesem Experiment ging es im Kern um die Abschaffung der direkten Führungskraft, also der typischen Team- und Abteilungsleiterfunktion.

Wie sind die Erfahrungen?

Wie zu erwarten, war das Ergebnis zwiespältig: „ob das Arbeiten ohne den direkten Chef der Beschäftigten insgesamt gefiel, sei jedoch eine sehr individuelle Frage gewesen.“ Die einen empfanden es als Chance, sich einzubringen. Die anderen scheuten die organisatorischen Aufgaben und die vielen Abstimmungen und wollten diese Form der Zusammenarbeit eigentlich nicht. Insbesondere die Auseinandersetzung mit Kollegen in Konflikten wurden als unangenehm empfunden.

Von ähnlichen Beobachtungen hatte auch Julian Wendland, Pflegedienstleiter bei der Buurtzorg Deutschland Nachbarschaftspflege gGmbH in München berichtet. In Deutschland habe man schon häufiger mit dem niederländischen Modell der kleinen, nachbarschaftsnahen und selbstverwalteten Pflegeteams experimentiert. Buurtzorg München sei aber das einzige dieser Teams geblieben, das bis heute überlebt hat, alle andere gebe es nicht mehr. Die Gründe seien vielschichtig.

Fachkräftemangel erfordert Fokus auf das Kerngeschäft

Als Grund neu hinzugekommen seien die Auswirkungen des Fachkräftemangels, der zur Zeitnot führe und deshalb keinen Raum lasse, zusätzliche Aufgaben zu erledigen, die sonst nur die Führungskraft mache.

Abb. 1: Führungsrad in Anlehnung an F. Malik

Wenn man die ersten beiden „Grundsätze wirksamer Führung“, Mehrwert für Kunden sowie Ergebnisse erzielen (siehe Abbildung) anerkennt, dann ist die Organisationsstruktur lediglich ein Mittel, um dem Zweck zu dienen: das Erreichen der Organisationsziele. Und so stellt sich letztlich die Frage, inwieweit ein Schleifen von Hierarchieebenen zur Erreichung der wesentlichen Ziele des Unternehmen beiträgt.

Wie in dem Artikel implizit dargestellt wird, ist es ein Leichtes, eine Hierarchieebene zu schleifen. Was sich allerdings nicht schleifen lässt, sind die Führungsaufgaben, die in dem sozialen Gebilde „Unternehmen“ zwangsläufig anfallen. Und auch nach dem Wegfall der Führungsebene bleiben.

Wendland berichtet hierzu lediglich, dass die Einführung der Selbstverwaltung zu einer „extrem geringen Fluktuation“ geführt habe. Unklar bleibt, wie hoch sie vorher war. Enttäuscht sei er dagegen, dass nach der Einführung der Selbstverwaltung die Bewerberzahlen nicht wirklich gestiegen seien. Eine offensichtlich erwartete Erhöhung der Arbeitgeberattraktivität scheint demnach nicht eingetreten zu sein.

Ernüchtert sei er auch, dass er das hierarchiearme Arbeiten nicht in allen Dimensionen so leben kann, wie es im niederländischen Vorbild gedacht war. So sei er mittlerweile dahin zurückgekehrt, die Dienstpläne – siehe Abbildung: Führungsaufgabe „Planen“ – für sein Team wieder selbst zu schreiben. Die Pflegekräfte seien zeitlich damit überfordert gewesen.

Fazit: One size fits all gibt’s höchstens bei Wollmützen

Es zeigt sich einmal mehr, dass es die eine bestimmte Organisationsform nicht gibt, die dazu taugt, die Lösung für alle Probleme eines jeden Unternehmens in jedem erdenklichen Umfeld zu repräsentieren.

Eine ordentliche, faktenbasierte Analyse des zu lösenden Problems sollte die Grundlage auch von Entscheidungen hinsichtlich der Unternehmensstruktur sein. Unternehmen sollten ferner auch belastbare Ziele formulieren, die sie mit einer Umstrukturierung erreichen wollen. Andernfalls läuft man schnell in eine Aktionismusfalle.

Zurück zur Ausgangsfrage: stellt der Fachkräftemangel das Ende der hierarchiefreien Unternehmen dar?

Klar ist, dass sich der Fachkräftemangel in den nächsten Jahren noch verschärfen wird. Die Zahl der Geburten liegt bis einschließlich Geburtenjahrgang 1971 deutlich über einer Million. Demgegenüber liegen die Jahrgangsstärken in den letzten rund 30 Jahren – mit einer einzigen Ausnahme – stets unter 800.000. Da kommt was auf die Unternehmen zu. Gleichzeitig steigt die Zahl der Aufgaben, nicht zuletzt durch gesetzliche Vorgaben, die z.B. aus dem Bereich der Nachhaltigkeitsthemen resultieren. Prominentestes und jüngstes Beispiel sind die Anforderungen, die sich aus der neuen EU-Richtlinie zur Unternehmens-Nachhaltigkeitsberichterstattung (Corporate Sustainability Reporting Directive, CSRD) ergeben.

Diesen beiden Effekte werden dazu führen, dass sich die Belegschaften zunehmend auf des Kerngeschäft werden konzentrieren müssen. Führungsprozesse und administrative Prozesse werden von Führungskräften übernommen und/ oder an Spezialisten outgesourct.

So übernimmt beispielsweise die 100PersEnt GmbH & Co. KG für ihre Kunden den Strategieentwicklungsprozess auf der Basis des EFQM-Managementsystems und integriert die Anforderungen der verpflichtenden European Sustainability Reporting Standards (ESRS), die sich aus der Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) ergeben, in die Unternehmensstrategie.

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■ Michael Kohlhaas

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