„Wir haben kein Erkenntnisproblem, sondern ein Umsetzungsproblem.“ Dieser Ausspruch von Roman Herzog aus seiner berühmten Ruck-Rede gilt auch im Bereich der psychischen Gesundheit. Die Zahlen sprechen eine eindeutige Sprache: die Anzahl der Fälle von Arbeitsunfähigkeit durch psychische Erkrankungen steigt ebenso seit Jahren an, wie der Anteil der Diagnosegruppe „Psychische und Verhaltensstörungen“ an den jährlichen Rentenzugängen wegen verminderter Erwerbsfähigkeit. Die Qualität der Führung spielt in diesem Zusammenhang eine entscheidende Rolle.
Höchste Zeit und gesetzliche Notwendigkeit, die Gefährdungsbeurteilung auf die Führungsqualität auszudehnen.
Zunächst nochmal ein Blick auf die Daten & Fakten zur psychischen Gesundheit in der Arbeitswelt (Quelle: Initiative Neue Qualität der Arbeit; http://psyga.info/presse/#c330):
1. Die Faktenlage
Psychische Erkrankungen gewinnen an Bedeutung: Insgesamt stellen psychisch bedingte Erkrankungen die drittgrößte Krankheitsgruppe in Deutschland dar: 14,1 Prozent aller Krankheitsfälle 2011 sind auf psychische Störungen zurückzuführen – 2004 waren es noch 8,3 Prozent. Psychische Erkrankungen sind außerdem die häufigste Ursache für krankheitsbedingte Frühverrentungen. In den letzten 18 Jahren stieg der Anteil von Personen, die aufgrund seelischer Leiden frühzeitig in Rente gingen, von 15,4 auf 41 Prozent. Das Durchschnittsalter der Betroffenen liegt bei 48,3 Jahren. (Quellen: BKK Gesundheitsreport 2012; Deutsche Rentenversicherung Bund; BMAS)
Ausfall- und Krankheitstage nehmen zu: Seit Jahrzehnten ist die Zahl der Fehltage wegen psychischer Erkrankungen angestiegen – zuletzt zwischen 2001 bis 2011 von bundesweit 33,6 Millionen Arbeitsunfähigkeitstagen auf 59,2 Millionen. Die Folge für Unternehmen und Volkswirtschaft sind Kosten in Milliardenhöhe. Die direkten Krankheitskosten für psychische Erkrankungen lagen 2009 bei knapp 27 Milliarden Euro. Auch die Produktionsausfallkosten steigen: 2011 erreichten sie 5,9 Milliarden Euro (2008: knapp 4 Milliarden Euro). (Quellen: BMAS/BAuA: Sicherheit und Gesundheit bei der Arbeit 2011; Statistisches Bundesamt)
Psychische Störungen verursachen die längsten Fehlzeiten: Wer aufgrund psychischer Belastungen krankgeschrieben wurde, blieb 2011 durchschnittlich 39,5 Tage zu Hause. Im Vergleich dazu führten Herz- und Kreislauferkrankungen zu durchschnittlich 21,9 Ausfalltagen. (Quelle: BKK Gesundheitsreport 2012)
2. Die gesetzliche Neuerung
Im September 2013 wurde, fast unmerklich, eine scheinbar kleine, inhaltlich jedoch weitreichende Änderung vorgenommen:
ArbSchG §4(1) ALT: Die Arbeit ist so zu gestalten, dass eine Gefährdung für Leben und Gesundheit möglichst vermieden und die verbleibende Gefährdung möglichst gering gehalten wird.
ArbSchG §4(1) NEU: Die Arbeit ist so zu gestalten, dass eine Gefährdung für Leben sowie die physische und die psychische Gesundheit möglichst vermieden und die verbleibende Gefährdung möglichst gering gehalten wird.
Auch wenn es sich scheinbar lediglich um eine Klarstellung handelt, so entsteht daraus durchaus eine neue Haftungsdimension, da (spätestens) jetzt klar ist, welchen Stellenwert Themen wie Stress (z.B. durch Team-Disharmonien, Mobbing, Führung) und arbeitsbedingter Burn-out auch im Rahmen der Sorgfaltspflicht des Arbeitgebers einnehmen. Wegschauen war gestern, Hinschauen ist nun Pflicht!
3. Berteilung un Schlussfolgerung
Die Gefährdungsbeurteilung ist das zentrale Element im betrieblichen Arbeitsschutz. Sie ist die Grundlage für ein systematisches und erfolgreiches Sicherheits- und Gesundheitsmanagement.
Nach dem Arbeitsschutzgesetz (ArbSchG) und der Unfallverhütungsvorschrift „Grundsätze der Prävention“ (BGV A1 bzw. GUV-V A1) sind alle Arbeitgeber – unabhängig von der Anzahl der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter – dazu verpflichtet, eine Gefährdungsbeurteilung durchzuführen. § 5 ArbSchG regelt die Pflicht des Arbeitgebers zur Ermittlung und Beurteilung der Gefährdungen und konkretisiert mögliche Gefahrenursachen und Gegenstände der Gefährdungsbeurteilung. § 6 verpflichtet Arbeitgeber, das Ergebnis der Gefährdungsbeurteilung, die von ihm festgelegten Arbeitsschutzmaßnahmen und das Ergebnis ihrer Überprüfung zu dokumentieren. Der Arbeitgeber kann die Gefährdungsbeurteilung selbst durchführen oder andere fachkundige Personen, z. B. Führungskräfte, Fachkräfte für Arbeitssicherheit oder Betriebsärzte, damit beauftragen, wobei die Verantwortung für die Durchführung der Gefährdungsbeurteilung und die Umsetzung der Ergebnisse beim Arbeitgeber verbleibt.
Konkret fordert das Gesetz in einem präventiven Ansatz die Gefährdungsbeurteilung, eine auf diesen Beurteilungen basierende Festlegung von Maßnahmen, die Umsetzung dieser Maßnahmen sowie permanente Wirksamkeitskontrollen. Es besteht die Pflicht zur Dokumentation. Daraus ergibt sich für den Arbeitgeber die Aufgabe, durch Fehlbelastungen verursachte Gefährdungen zu vermeiden sowie arbeitsbedingten Erkrankungen vorzubeugen. Für Betriebsräte besteht dabei eine Pflicht zur Mitbestimmung. Sollte der Arbeitgeber keine geeigneten Schritte ergreifen, ist die Arbeitnehmervertretung entsprechend ihrer Aufgabendefinition aufgefordert, sich der Angelegenheit im Sinne der Beschäftigten anzunehmen.
In der „Leitlinie Gefährdungsbeurteilung und Dokumentation“ der Nationalen Arbeitsschutzkonferenz wird im „Anhang 2: Übersicht der Gefährdungsfaktoren“ unter Ziffer 10. eine nicht abschließende Anzahl psychischer Faktoren gelistet:
„10.1 | ungenügend gestaltete Arbeitsaufgabe (z. B. überwiegende Routineaufgaben, Über-/Unterforderung) |
10.2 | ungenügend gestaltete Arbeitsorganisation (z. B. Arbeiten unter hohem Zeitdruck, wechselnde und /oder lange Arbeitszeiten, häufige Nachtarbeit, kein durchdachter Arbeitsablauf) |
10.3 | ungenügend gestaltete soziale Bedingungen (z. B. fehlende soziale Kontakte, ungünstiges Führungsverhalten, Konflikte) |
10.4 | ungenügend gestaltete Arbeitsplatz- und Arbeitsumgebungsbedingungen (z. B. Lärm, Klima, räumliche Enge, unzureichende Wahrnehmung von Signalen und Prozessmerkmalen, unzureichende Softwaregestaltung) |
10.5 …“ |
(http://www.gda-portal.de/de/pdf/Leitlinie-Gefaehrdungsbeurteilung.pdf?__blob=publicationFile)
Aus diesen wenigen Beispielen ist der Stellenwert von „Führung“ mit Händen zu greifen:
Führungsverhalten schützt Mitarbeitergesundheit
Mitarbeitende, die im Arbeitsalltag häufig durch ihre Vorgesetzten unterstützt werden, berichten nur zu 17 Prozent von häufig auftretenden gesundheitlichen Beschwerden wie Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Erfahren Beschäftige dagegen nur selten oder nie Hilfe durch einen direkten Vorgesetzten steigt auch die Anzahl der Erkrankungen: von ihnen geben 38 Prozent an, häufig unter gesundheitlichen Beschwerden zu leiden. (Quelle: Stressreport Deutschland 2012)
4. Die Zeit zum Handeln ist jetzt!
Die Liste der Vorteile einer hohen Qualität der Unternehmensführung wird immer länger:
- Wirtschaftlichkeit: gut geführte Unternehmen sind wirtschaftlich deutlich erfolgreicher als weniger gut geführte Unternehmen.
- Demografie und Mitarbeiterbindung: Gute Unternehmensführung wirkt wie ein Leuchtturm für qualifizierte Fach- und Führungskräfte auf der Suche nach persönlichem Erfolg. Steigern Sie Ihre Attraktivität als Arbeitgeber.
- Gesundheit: gute Unternehmensführung schützt sowohl die Gesundheit der Führungskraft als auch die der Mitarbeiter.
Die Qualität der Führung ist der entscheidende Hebel für unternehmerischen Erfolg, der BMM-Award 2015 mit dem zugrundeliegenden Führungsbarometer 100PersEnt FVI-KMU® ist das Werkzeug hierzu.
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Gerne können Sie sich auch unter 07472/ 167 4546 informieren oder einen Leadershipexperten in Ihrer Nähe kontaktieren.
Wir wünschen alles Gute sowie ganz viel Erfolg im Jahr 2015.
Herzliche Grüße und viel Freude bei der Umsetzung all Ihrer Vorhaben.
Ihr
Michael Kohlhaas