Den bereits mit der Gründung der „Manufaktur für Führungskultur im Mittelstand e.V. formulierten Anspruch eine starke „Gemeinschaft zur Förderung einer attraktiven Führungskultur in mittelständischen Unternehmen“ zu sein, werden wir auch in 2017 konsequent unter dem Leitthema: „Erfolgsfaktor Führungskultur – Führungskultur aktiv gestalten“ verfolgen. Denn mehr denn je beschäftigen viele mittelständische Unternehmen essentielle Fragen der Führung: Steht Führung vor dem Hintergrund einer sich rasant verändernden Arbeitswelt vor einer radikalen Neudefinition? Muss sich eine neue Führungskultur entwickeln? Werden hierarchische Strukturen komplett aufgelöst und durch stärkere Vernetzung und Kooperation ersetzt?
Notwendiger Wandel
Wo immer geänderte Rahmenbedingungen Veränderungen der Arbeit mit sich bringen, wird sich auch eine bis dahin funktionierende Führungskultur ändern müssen. Und so empfinden das auch 77 % der Führungskräfte, die sich dringend einen Wandel der Führungskultur wünschen, wenn man der Studie der Initiative „Neue Qualität der Arbeit“ (INQA) des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales Glauben schenkt: Die Führungskräfte mahnen einen Wandel weg von einer hierarchiebetonten Führungskultur hin zu einer auf Unterstützung, Vertrauen, Kooperation und Werteorientierung basierenden Führungskultur an. Gleichzeitig sehen sie sich selbst kaum in der Lage, diesen Wandel der Führungskultur aktiv voranzutreiben. Ein Dilemma: Sie erkennen die Notwendigkeit und wären als Führungskräfte auch diejenigen, die die notwendigen Einflussmöglichkeiten haben, die Führungskultur aktiv zu gestalten, es aber offensichtlich nicht TUN.
Damit kommt es zu mehr oder weniger ungerichteten Veränderungen der Führungskultur, die leider eher zu mehr Unzufriedenheit führen, wie Gallup seit Jahren zunehmend feststellt. Auch im letzten Jahr war die Zahl der Mitarbeiter mit tendenziell eher geringer Bindung an das Unternehmen gestiegen.
Kein Unternehmen ohne Führungskultur
Kann man Führungskulturen eigentlich entwickeln? Oder entwickeln sie sich von selbst, sobald Menschen zusammenkommen, um etwas gemeinsam zu erreichen? Ohne Frage errichten Unternehmen ein Führungssystem, von dem sie glauben, dass es dem, was sie erreichen wollen, besonders angemessen ist. Und das wird sehr unterschiedlich sein: ob etwas produziert oder eine Dienstleistung angeboten wird. Wichtig dabei ist, es beruht zunächst auf dem Glauben, dass dies in der Situation und unter den vorliegenden Bedingungen auch funktioniert.
Festzustellen ist dabei eine immer noch weite Verbreitung einer traditionellen und profitorientierten Führungskultur. Die traditionelle Führungskultur stützt sich im Wesentlichen auf natürliche Autorität, die unter der Voraussetzung, dass die Mitarbeiter in ihrem Vorgesetzten ein Vorbild sehen, das Verantwortung übernimmt, auch gut zu funktionieren scheint. Die profitorientierte Führungskultur fokussiert auf Strategie, Zielmanagement und Controlling, um die Wettbewerbsfähigkeit des Unternehmens zu fördern und Profite zu maximieren.
Der Wunsch vieler Führungskräfte und Mitarbeiter gleichermaßen geht jedoch heute in Richtung einer kooperativen und zugleich werteorientierten Führungskultur sowie einer Führungskultur die Netzwerkdynamik zulässt. Transparenz und Nutzung von Synergiepotenzialen in einer kooperativen Führungskultur fördern neue Ideen und die Zusammenarbeit. Netzwerkdynamik ist die Antwort auf die steigende Komplexität der Märkte. Werteorientierung motiviert Mitarbeiter über die empfundene Sinnhaftigkeit der Aufgabe und das Leben von Werten.
Alles sinnvolle und Leistung fördernde Wünsche an eine zukunftsorientierte Führungskultur, doch von alleine oder aus dem intensiven Wunsch heraus entstehen diese positiven Führungskultur-Inhalte nicht. Wie weiter oben beschrieben erleben wir bei Änderung der Rahmenbedingungen häufig eine ungerichtete Entwicklung der Führungskultur, wenn die Zielvorstellung der Führungskräfte selbst diffus bleibt bzw. die Vorstellung der eigenen gestalterischen Wirkung weder vorhanden ist noch gefördert wird.
Gleichzeitig ist der gesamten Komplex „Führung“, der in seiner Auswirkung auf die Mitarbeiter und auf die Zusammenarbeit im Unternehmen als „Führungskultur“ empfunden wird, zu einem hohen Prozentsatz mit dem unternehmerischen Erfolg verbunden. Etwa ein Drittel des wirtschaftlichen Erfolgs wird dem Erfolgsfaktor „Führung“ zugeschrieben.
Vor diesem Hintergrund wurde das Modell IMPROVE® entwickelt. In 7 Schritten werden Rahmenbedingungen, Führungsleistung und Erfolgsfaktoren aufeinander abgestimmt und ressourcenorientiert entwickelt: messbar und nachhaltig.
Führung und Arbeit 4.0
Viele Unternehmen stehen heute vor einem radikalen Wandel ihres gesamten Geschäftsmodells oder beginnen darüber nachzudenken. Zumeist kommen in diesem Prozess Gedanken zur begleitenden Änderung der Führungskultur zu kurz. Dies trifft nicht nur mittelständische Unternehmen. Ein Blick in die Runde hilft dabei, denn oft muss das Rad ja auch nicht neu erfunden werden. Und auf Erfahrungen aus der Praxis zurückzugreifen, kann zumindest kein Schaden sein. So treffen sich im Rahmen des Führungssymposiums der Manufaktur für Führungskultur im Mittelstand e.V. einmal jährlich mittelständische Unternehmen, um ihre Erfahrungen und Konzepte auszutauschen und zu diskutieren.
Die aktive Gestaltung der Führungskultur und der Erfolg der Umsetzung werden dabei im Rahmen des BMM AWARDs öffentlich ausgezeichnet. Praxisorientierte Ideen und innovative Erfolgsmodelle, die sich im aktuellen Umfeld bewähren, werden besonders prämiert. Denn nur Unternehmen, denen es gelingt, flexibel und vernetzt zu agieren, können sich den schnell wandelnden Märkten anpassen. Alles andere ist viel zu träge, um mit den aktuellen Entwicklungen Schritt halten zu können.
Zunehmend Bedeutung gewinnt natürlich die digitale Vernetzung. Agile Teamarbeit unabhängig von Zeit und Ort gelingt nur mit digitaler Unterstützung. Das ist allerdings viel mehr als ein IT-Thema. Hier werden langjährige, eingefleischte Verhaltensweisen zwischen Führungsriege und Mitarbeitern über den Haufen geworfen. Entscheidend ist nicht mehr die Hierarchie, sondern der schnelle Austausch von Ideen, Impulse, Wissen, Innovationen nicht nur zwischen Führungskräften und Mitarbeitern, sondern auch zu Kunden und anderen Unternehmen. Kontrolle ist in diesem vernetzten Umfeld vor allem eines: hemmend. Die Führungskultur der Zukunft muss deshalb auf Vertrauen und Werten aufbauen. Dabei sind drei Merkmale einer zukunftsfähigen Führungskultur besonders wichtig:
- Wissen ist die wichtigste Ressource der Zukunft. Sie vermehrt sich, wenn man sie teilt. Diskussionen bringen neue Perspektiven und neuen Input.
- Vernetzung macht Führungskräfte zu Moderatoren. Mitarbeiter müssen sich innerhalb und außerhalb des Unternehmens vernetzen können. Vertrauen und gelebte Werteorientierung sind Voraussetzung. Vernetzung ermöglicht den dringend benötigten Wissenstransfer.
- Agile Führungsmethoden ermöglichen schnelle Umsetzung von Innovationen, erfordern aber auch eine neue Fehlerkultur. Neuerungen müssen schnell auf den Markt, damit sie sich bewähren können. Kontinuierliches Lernen und Entwickeln gelingt nur durch schnellen Informationstransfer.
Unternehmen und Führungskräfte, die Führungskultur aktiv gestalten, können nur gewinnen: Sie erhöhen ihre Chancen in sich verändernden Märkten, binden Mitarbeiter, die eigenverantwortliches Handeln schätzen, und sind attraktiv für junge Talente.
Michael Kirsch
2. Vorsitzender der Manufaktur für Führungskultur im Mittelstand e.V.