New Work! – Wie lautete nochmals die Frage? (Teil 2)

Wie lautet eigentlich die Frage, deren Antwort „New Work“ ist? Das Schlagwort steht für zum Teil sehr konkrete, aber auch für sehr unspezifische Arbeitsmodelle.

Welches Problem soll eigentlich gelöst werden mit all den Konzepten von flexiblen Arbeitsformen wie Jobsharing oder agilen Arbeitsmethoden wie etwa Scrum? Von den Diversity-Ansätze wie Gender Empathy oder auch den Job-Rotation-Konzepten? Von partizipativen Organisationsmodellen, zum Beispiel Holacracy u.a.?

Im ersten Teil des Beitrages (https://tinyurl.com/spufn5x) hatte ich mich mit den Buchstaben G wie Goal, I wie Integration und L wie Latency des AGIL-Konzepts auseinandergesetzt

Heute geht es um den Buchstaben A, der Adaptation im AGIL-Konzept. Ich werde Ihnen einige Hinweise geben, wie das Unternehmen den Umgang mit Veränderungen wirkungsvoll organisieren kann.

Adaptation ist die in diesem Beitrag letzte zu beschreibende Eigenschaft, die jedes System erfüllen muss, um seine Existenz zu erhalten: Die Fähigkeit, auf sich verändernde äußere Bedingungen zu reagieren und sich adäquat anzupassen. Ich werde im Folgenden den Begriff der Anpassungsfähigkeit benutzen.

Widerstände bei Veränderungen

Wir haben wohl alle schon erfahren, dass Veränderungen auf Widerstände stoßen. Auf der Ebene des Individuums entspringen diese einem menschlichen Bedürfnis nach Sicherheit sowie dem schwach ausgeprägten Persönlichkeitsmerkmal „Offenheit“ bzw. „Flexibilität“ (siehe diverse Persönlichkeitsmodelle: z.B. Big Five oder BIP). Personen mit niedrigen Offenheitswerten neigen zu konventionellem Verhalten und zu konservativen Einstellungen. Sie ziehen Bekanntes und Bewährtes dem Neuen vor. Menschen, die über ein geringes Maß an Flexibilität verfügen haben Schwierigkeiten bei ständig wechselnden Bedingungen und unvorhersehbaren Veränderungen. Sie haben daher oftmals Vorbehalte und sind kritisch, wenn sie mit einer neuen Situation konfrontiert werden. Sie bevorzugen klar definierte Aufgaben und fühlen sich in einem Arbeitsumfeld mit stabilen Rahmenbedingungen am wohlsten.

Die Ebene des Individuums spielt natürlich immer eine gewichtige Rolle bei Veränderungsprozessen. Mir geht es aber in diesem Artikel um die organisationale Ebene des Phänomens.

Organisationen suchen immer nach Stabilität

“Never change a winning Team“. In diesem Satz ist der Kern des Widerstands gegen Veränderungen auf der Ebene der Organisation bereits enthalten: „Warum ändern, es läuft doch!“ Dabei ist ein „winning Team“ durchaus kein objektiver Befund. Für die Ablehnung von Veränderungen reicht es schon aus, dass sich die Mitglieder sich als solches wahrnehmen. Solange das Umfeld ebenfalls lange genug stabil bleibt, mag das auch tatsächlich funktionieren. Solange, bis die Strukturen vollends verkrustet sind; und dann reicht oftmals schon eine kleine Krise aus, um für das Unternehmen bestandsgefährdend zu werden.

Die Tendenz zu stabilen Strukturen ist also allen Organisationen und demnach auch allen Unternehmen zu eigen, sie ist geradezu systemimmanent. Alle Systeme versuchen stabile Zustände zu erreichen und suchen nach Ordnungsmustern. Beim Management von Veränderungen geht es also um die Fähigkeit und die Bereitschaft, von einem stabilen Ordnungszustand in einen anderen stabilen Ordnungszustand zu gelangen.

Der leider viel zu früh verstorbene Prof. Peter Kruse hat dies in einem kurzen Interview hervorragend dargestellt: https://www.youtube.com/watch?v=FLFyoT7SJFs

Ursache und Anlass für den Transformationsprozess von einem stabilen Zustand zu einem neuen stabilen Zustand auf höherem Leistungsniveau sind „krisenhafte Störungen“ der stabilen Struktur. Diese „Störungen“ lösen als „Sense of Urgency“ den Changeprozess im Modell von John P. Kotter aus.

Herausforderungen für die Anpassungsfähigkeit – die krisenhaften Störungen

Jede Veränderung benötigt eine Ursache, einen Anstoß. Ob es immer eine (externe) krisenhafte Störung sein muss, möchte ich zunächst offen lassen. Ich selbst habe drei sogenannte Turnaround-Situationen als massive Change-Ereignisse in der Papierindustrie erlebt. Die Auslöser waren in der Tat extern und nicht zu beeinflussen:

  • Währungskursturbulenzen in den frühen 90er Jahren des letzten Jahrhunderts;
  • der zunehmende Einfluss der Digitalisierung auf alles, was mit Printmedien zu tun hatte, sowie
  • die Finanzkrise vor rund 12 Jahren.

Das Ausmaß der „Einschläge“ aber hatten wir m.E. zu einem nicht unerheblichen Maße selbst zu verantworten, weil wir an anderer Stelle unsere Hausaufgaben zu lange nicht oder nur unzureichend erledigt hatten. Und das war sowohl erkennbar als auch beeinflussbar.

Aus diesem Grunde lohnt sich ein Blick auf mögliche Auslöser für Veränderungen stabiler Strukturen.

Die beispielhaft genannten Auslöser kategorisiere ich über den Dimensionen intern und extern sowie kontinuierlich (im Sinne von evolutionär) und disruptiv. Die Nennung derselben erhebt natürlich keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Auch wäre es vermessen, in dieser Darstellung einen linearen Ursache-Wirkungs-Zusammenhang zu unterstellen. Vielmehr wirken in der komplexen Realität meist mehrere Auslöser in irgendeiner Weise zusammen.

Abb. 1: Auslöser für Veränderungen im Überblick

Unternehmerische Versäumnisse über einen längeren Zeitraum entlang der „kontinuierlich“-Achse wachsen sich aus zu verkrusteten Strukturen. Die eigentlichen Ursachen liegen meist in verpassten Möglichkeiten und nicht oder viel zu spät getroffenen Entscheidungen. Es benötigt dann oft nur geringfügige, meist externe (disruptive) Veränderungen, um ein Unternehmen in eine Krise und in der Folge in einen dramatischen Veränderungsprozess zu zwingen.

Eine Unternehmenskrise stellt sich in der Folge oftmals dann ein, wenn die Geschäftsführung die frühen Warnsignale entweder gar nicht oder zu spät erfasst hat oder aber aus den erkannten Frühwarnsignalen keine gegensteuernden Handlungen ableitet wurden.

Fazit und Lösungsansätze

Womit wir wieder beim Buchstaben „A“, der Adaptation bzw. der Anpassungsfähigkeit im AGIL-Konzept, angekommen sind.

Wie so oft geht es auch bei der Anpassungsfähigkeit zum einen um Fragen der individuellen inneren Haltung und zum anderen um Strukturen, Methoden und Prozesse sowie Werkzeuge, die eine Unternehmen nicht erstarren lassen.

Hinsichtlich der inneren Haltung möchte ich es mit einem Zitat von Robert Bosch bewenden lassen. Ohne eine hinreichende Zahl von Führungskräften mit dieser Grundhaltung werden weder Changemanagement noch AGILität gelingen: „Immer soll nach Verbesserung des bestehenden Zustands gestrebt werden, keiner soll mit dem Erreichten sich zufrieden geben, sondern stets danach trachten, seine Sache noch besser zu machen.“

Auf der Organisationsebene/ Unternehmensebene gilt es sicherzustellen, dass die in Abb. 2 dargestellten Formen der Veränderungen organisiert werden.

Abb. 2 Formen der Veränderungen

  1. Kontinuierliche Verbesserung

Installieren Sie interne Mechanismen, um erreichte Zustände immer und immer wieder systematisch zu hinterfragen. Das kann durch Feedbacksysteme der Interessen-gruppen, wie z.B. Mitarbeiterbefragungen geschehen, oder aber durch KVP-Systeme, Lessons-learnt-Schleifen nach Projekt- oder Prozessabschluss u.v.a.m.. Nicht zu vergessen sind natürlich die klassischen SMART-Ziele, die spürbar jenseits des Erreichten liegen sollten und somit den status quo herausfordern.

2. Veränderungen (Change)

Hier geht es in erster Linie darum, die externen Veränderungen im Blick zu haben, insbesondere den Markt. Weisen Sie Verantwortlichkeiten für die Beobachtung und Analyse von relevanten Bereichen zu. Das können Gesetzesvorhaben sein, die unmittelbaren Einfluss auf das eigene Geschäft haben. Aber zu denken ist auch und insbesondere an sogenannte Megatrends, die einen maßgeblichen Einfluss auf die eigenen Geschäftsfelder und die Produktentwicklung haben.

Im wahrsten Sinne zu besichtigen ist dies zum Beispiel im Thyssenkrupp-Testturm in Rottweil, dem 246 Meter hohen Aufzugstestturm für Express- und Hochgeschwindigkeitsaufzüge. Wesentlicher Treiber für die Attraktivität des gesamten Geschäftsfeldes und für die Entwicklung der Produkte ist der Megatrend der Urbanisierung und der damit einhergehende Trend zu immer höheren Wohn- und  Geschäftshäusern.

Wichtig ist, dass für diese Themen hinreichend Zeit zur Verfügung steht und dass sie in separaten „Foren“ diskutiert werden, also außerhalb der Tagesroutine.

3. Innovation

Im engen Zusammenhang mit Ziffer b) steht die Produktentwicklung, die unter Nutzung neuer Technologien durchaus disruptive Züge annehmen kann. Ein Beispiel für Innovation ist die Entwicklung der Smartphones, die nicht nur alle mobilen Tastentelefone vom Markt gefegt hat, sondern auch einen großen Teil an Fotokameras oder mobilen Abspielgeräten für Musik.

4. Transformation

Bei der Transformation geht es schließlich um Antworten auf disruptive Veränderungen, deren Auslösern extern, also außerhalb des Einflussbereichs des Unternehmens liegen. Veränderungsbereite Führungskräfte in Verbindung mit gut eingespielten Routinen aus den Bereichen a) bis c) sind generell die beste Vorbereitung auf die Herausforderungen solcher disruptiven Entwicklungen. Die aktuelle Corona-Krise ist – bei aller Betroffenheit – eine Gelegenheit, die Anpassungsfähigkeit unter Beweis zu stellen und zu beobachten. Nur wer den Fokus rasch auf das Machbare legt – anstatt über das Nicht-Machbare zu jammern – und entschlossen handelt, hat gute Aussichten, mit einem blauen Auge davon zukommen. Im Kleinen und im Großen haben wir ganz wunderbare Beispiele von Einfallsreichtum und den Anfängen von Transformationsprozessen, um diese Krise zu überwinden.

■ Michael Kohlhaas

Den Artikel können Sie hier als pdf herunterladen.

Die 100PersEnt GmbH hat sich auf das Thema Führung im Mittelstand fokussiert. Ein Schwerpunkt ist die Implementierung von Managementmodellen und Führungsprozessen, wie zum Beispiel die Strategieentwicklung.

In diesem Zusammenhang verweisen wir auf unser ganzheitlichesIMPROVE-Konzept für den Mittelstand, das einen Schwerpunkt auf die Veränderungsfähigkeiten von mittelständischen Unternehmen setzt. Ganz generell zu empfehlen ist auch das offene Managementmodell nach EFQM, wie es dem Ludwig-Erhard-Preis zugrunde liegt. Das jüngst veröffentlichte Update auf das EFQM Modell 2020 hat sich intensiv mit den Fragen der Zukunfts- und Veränderungsfähigkeit von Unternehmen beschäftigt.

Wenn Sie ein unverbindliches Kennenlerngespräch vereinbaren möchten, stehe ich Ihnen gerne unter m.kohlhaas@100persent.de oder telefonisch unter 07471/ 9841 353 zur Verfügung.

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