Wirksames Führungsverhalten in digitalen Zeiten

Nur effektive Führung ist gute Führung, sie zählt zu den wichtigsten Erfolgsfaktoren in Unternehmen. Effektivität ist ein Maß für Wirksamkeit. Es beschreibt das Verhältnis von erreichtem Ziel zu definiertem Ziel. Das ist die Konstante der Führungsarbeit. Die digitale Transformation erfordert von Managern allerdings eine neue Art von Führungsstil, um den Mitarbeitern in diesen unruhigen Zeiten Orientierung zu geben: die transformationale Führung.

Digitalisierung und Automatisierung verändern unsere Welt. Entwicklungen vollziehen sich im Zuge der technologischen Entwicklung immer schneller und Menschen reagieren höchst unterschiedlich auf diese Veränderungen. Die einen begrüßen sie mit Euphorie und entdecken in ihnen fantastische Chancen, den anderen bereitet sie Unbehagen oder gar Angst, eines Tages nicht mehr gebraucht zu werden. Was muss herausragende Führung heute leisten, um Menschen Orientierung zu geben? Wie sollten Manager ihr Führungsverhalten an die neue Situation anpassen?

„Culture eats strategy for breakfast“, hat Peter Drucker einmal so treffend formuliert. Führungskultur wird durch nicht zuletzt durch vorbildliches Führungsverhalten geprägt. Vertrauen ersetzt hierbei das Mikromanagement. Ehrlichkeit und Integrität werden wichtiger als einfache Planerfüllung. Und plötzlich finden sich Mitarbeiter in einer Welt wieder, in der sie sich tatsächlich verwirklichen können. In der Querdenken nicht nur erlaubt, sondern auch gefordert ist und Spaß bereitet.

Und deshalb schreit die Digitalisierung geradezu nach der transformationalen Führung.

Abb. Full Range of Leadership Model (Eigene Darstellung in Anlehnung an (Bass & Riggio, 2006)

Das Full Range of Leadership Model

Bass und Avolio postulieren in ihrem Full Range of Leadership Model (Bass & Avolio, Improving organizational effectiveness through transformational leadership, 1994) ein breites Spektrum von Verhaltensweisen einer Führungskraft, die anhand ihrer Aktivität und Effektivität entlang zweier Achsen eingeteilt werden.

Die Achsen verlaufen zwischen in der Bandbreite passiv – aktiv bzw. ineffektiv – effektiv.

Das Modell umfasst drei Führungsstile: Transformationale, transaktionale und Laisser-faire-Führung.

Das Spektrum an entsprechendem Führungsverhalten im Bereich der aktiven Mitarbeiterführung wird durch die transaktionale und die transformationale Führung abgedeckt. Den theoretischen Erkenntnissen folgend kann man davon ausgehen, das transaktionale Führung in Routinesituationen durchaus effektiv ist. Im Unterschied zur transformationalen Führung schafft sie es jedoch nicht, außergewöhnliche Leistungsbereitschaft und Innovation auf Seiten der Mitarbeitenden auszulösen.

Die vier Dimensionen der transformationalen Führung entsprechen sich in ihrer Ausprägung hinsichtlich Aktivität und Effektivität, sie sind als grundsätzlich gleichwertig anzusehen.

Das passive Verhaltensspektrum wird im Full Range of Leadership Modell vor allem durch Verhaltensweisen des Laissez-faire-Führungsstils abgedeckt.

Die insgesamt acht Dimensionen des Führungsverhaltens und deren Zuordnung zu den drei genannten Führungsstilen sind in der o.a. Abbildung dargestellt und werden nachfolgend erörtert.

Laisser-faire Führung

Laisser-faire-Führung ist im Full Range of Leadership Modell dem passiven und inaktiven Bereich des Führungsverhaltens zugeordnet.

Laisser-faire-Führung ist zwar eine Verhaltensweise, aber im Grunde ist es eine Form der Nicht-Führung. Charakteristisch für diese Art der ‚Führung‘ ist einerseits die fehlende Bereitschaft zur Übernahme von Verantwortung (hoher Grad an Passivität) sowie andererseits die Vermeidung von Entscheidungen durch die Führungskraft. Laisser-faire-Führung wird daher grundsätzlich als ineffektiv angesehen.

Transaktionale Führung

Der transaktionale Führungsstil bezeichnet ein Führungsverhalten, das auf einem Austauschverhältnis zwischen einer Führungskraft und ihren Mitarbeitern beruht. Ein Beispiel ist die Zielvereinbarung, in der geregelt ist, welche Erwartungen an den Mitarbeiter gestellt werden und welche finanziellen oder immateriellen Vorteile (oder Nachteile) er zu erwarten hat, wenn er/ sie die Anforderungen erfüllt (oder nicht erfüllt). Die Transaktionale Führung umfasst drei Führungsstile. Ihre Nennung erfolgt in der Reihenfolge der Einschätzung von Aktivität und Effektivität. Die leistungsorientierte Belohnung ist die aktivste und effektivste Form der transaktionalen Führung.

  • Eingreifen im Bedarfsfall (Management by Exception). Die Führungskraft greift erst ein, wenn es zu Problemen kommt.
  • Aktive Kontrolle (Management by Exception active). Die Führungskraft kontrolliert aktiv, ‘sucht’ Fehler und korrigiert diese.
  • Leistungsorientierte Belohnung (Contingent Reward). Die Führungskraft setzt oder vereinbart S.M.A.R.T.-Ziele und anerkennt deren Erfüllung durch geeignete Maßnahmen.

Transformationale Führung

Transformationale Führung ist ein Konzept für einen Führungsstil, bei dem durch das Transformieren von Zielen, Werten und Einstellungen der Geführten – weg von egoistischen, individuellen Zielen, hin zu langfristigen, übergeordneten Ziele des Unternehmens – eine Leistungssteigerung stattfinden soll. Transformationale Führungskräfte versuchen, das intrinsische Motivierungspotential ihrer Mitarbeiter zu aktivieren, indem sie beispielsweise attraktive Visionen vermitteln, den gemeinsamen Weg zur Zielerreichung kommunizieren, als Vorbild auftreten und die individuelle Entwicklung der Mitarbeiter unterstützen.

In der Theorie von Bass und Avolio werden günstige Verhaltensweisen einer transformationalen Führungskraft in vier verschiedenen Kategorien (sog. „vier I’s“) beschrieben:

  • Charismatisches Verhalten/ Vorbildfunktion (Idealized influence)

Die Führungskraft handelt als charismatisches, werteorientiertes Vorbild. Sie wird als integer und glaubwürdig wahrgenommen. Sie dient den Mitarbeitern als Vorbild, an dem sie sich menschlich und fachlich orientieren.

  • Inspirierende Motivation (Inspirational motivation)

Mit einer inspirierenden Vision versuchen transformationale Führungskräfte, die intrinsische Motivation ihrer Mitarbeiter zu steigern. Sie motivieren ihre Mitarbeiter zu besonderen Anstrengungen. Sie kommunizieren eine attraktive Vision und daraus abgeleitete hohe Leistungsziele. Sie vermitteln Sinn und Bedeutung (purpose) und machen damit deutlich, wofür es sich lohnt, Zeit und Energie zu investieren. Sie strahlen Zuversicht und Optimismus, dass die Ziele auch erreicht werden können.

  • Individuelle Wertschätzung (Individualized consideration)

Die Führungskraft handelt als Mentor und Coach und geht dabei auf die individuellen Bedürfnisse ihrer Mitarbeiter ein. Die individuelle fachliche und persönliche Weiterentwicklung der Mitarbeiter ist ihr ein besonderes Anliegen. Dabei gelingt es der Führungskraft in besonderem Maße, die individuellen Bedürfnisse zu erkennen, Motive zu wecken und Selbstvertrauen zu entwickeln.

  • Intellektuelle Stimulierung (Intellectual stimulation)

Die Führungskraft ermutigt ihre Mitarbeiter und regt sie dazu an, kreativ und innovativ zu denken, sodass diese sich im positiven Sinne herausgefordert fühlen, die Unternehmensprozesse zu hinterfragen und zu optimieren. Durch konstruktiv-kritische Reflexion sollten neue Lösungswege erarbeitet werden.

Transformationale Führung ist einer der einflussreichsten Führungsstile der letzten Jahrzehnte. Transformationale Führung scheint in einer VUCA-Welt besonders effektiv zu sein.

Leadership Style Assessment (LSA) und Zusammenfassung

Es ist unmittelbar einsichtig und plausibel, dass es kein bestimmtes Führungsverhalten, keinen Führungsstil gibt, der zu jeder Zeit und in jeder Situation effektiv ist. Eine gute Führungskraft passt daher ihr Verhalten an die Situation an, in der sie jeweils zu handelt.

Trotzdem beschäftigten sich die meisten Theorien nicht mit situationsbedingt variablem Verhalten, sondern generellen Konzepten effektiver Führung oder persönlichen Eigenschaften der Führungskraft. Die Berücksichtigung und Analyse von situativen Faktoren wurde in den letzten Jahren zunehmend gefordert.

Auf der Basis des Full Range of Leadership Models und unter Berücksichtigung der vorhandenen Ansätze zur situativen Führung haben Peus und Kollegen (Peus, Braun, & Frey, 2015) das Leadership Style Assessment (LSA) entwickelt.

Die Grundidee des Verfahren besteht darin, transformationale und transaktionale Führung im Rahmen konkreter Situationen zu erfassen. Die Autoren nutzen dabei das Prinzip des Situational Judgement Tests. Hierbei handelt es sich um ein simulationsorientiertes Verfahren, bei dem die teilnehmende Person mit Beschreibungen konkreter Situationen des Berufsalltags konfrontiert und nach Ihrem wahrscheinlichen Verhalten in dieser Situation gefragt wird. Das von den Autoren verfolgte Ziel des LSA besteht darin, situationsbasiert effektives und ineffektives Führungsverhalten nach dem Full Range of Leadership Model zu erfassen.

Das Verfahren kann einerseits von der Führungskraft allein im Rahmen einer Selbsteinschätzung angewendet werden. Die Ergebnisse werden sodann mit einem theoretischen Idealbereich verglichen, so dass eine Einordnung von persönlichen Stärken und Entwicklungsfeldern der Führungskraft möglich ist. Nun weicht ein positives Selbstbild nicht selten von einem (äußerst) negativen Fremdbild der Geführten ab.

Wirkungsvoller erscheint mir daher die vorgesehene Anwendung des LSA unter Einbeziehung der geführten Mitarbeiter zu sein. Der Ergebnisbericht sieht in diesen Fällen eine Gegenüberstellung zwischen Selbst- und Fremdeinschätzung vor. Auf diese Weise erhält die Führungskraft ein Feedback, welches ihr auch Zugang zu den Aspekten des Führungsverhalten verschafft, die von ihr selbst nicht (mehr) wahrgenommen werden (blinder Fleck).

Insgesamt handelt es sich bei dem LSA um einen sehr innovativen und aufgrund der großen Praxisnähe äußerst begrüßenswerten Ansatz für die Entwicklung einer wirksamen und zeitgemäßen Führungskultur im digitalen Zeitalter. Das LSA hat das Potential, dass Führungskräfte und Geführte faktenbasiert in einen fruchtbaren Führungsdialog eintreten können.

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