Trotz der phonetischen Nähe zu ‚Waka Waka‘ ist VUCA kein neuer Song von Shakira. Auch wenn eine weitere Gemeinsamkeit in dem Umstand liegt, dass der Refrain des Liedes ‚Waka Waka‘ aus dem Lied „Zangalewa“ der kamerunischen Band Golden Sounds stammt und heute noch als Soldatenlied in vielen Teilen Afrikas verbreitet ist, also quasi einen militärischen Ursprung hat.
‚Wir leben in einer VUCA-Welt.‘
Diesen oder ähnliche Sätze lese ich in letzter Zeit immer öfter, wenn es um die Beschreibung der geänderten Rahmenbedingungen geht, unter denen Unternehmen organisiert und Mitarbeiter geführt werden müssen.
Das Akronym VUCA steht Volatility, Uncertainty, Complexity und Ambiguity. Es wurde vor einigen Jahren von der US-Armee geprägt, um die extremen Bedingungen in den kriegerischen Auseinandersetzungen in Afghanistan und im Irak zu beschreiben.
Den veränderten Ausbildungsinhalten des US Army War College liegt dieses VUCA-Konzept zugrunde. Es beinhaltet einen Paradigmenwechsel in der Führung, weg von Ansätzen der Problemlösungstechniken und des linearen Planens, um Unsicherheiten zu reduzieren, hin zu einer aktiven, d.h. tätigen Auseinandersetzung mit der Unsicherheit, die ein höheres Maß an Agilität der Führung erfordert.
Der Begriff macht eine schnelle Karriere. Das verwundert nicht, da er auf kurze und leichte Art und Weise viel von dem zusammenfasst, was wir in den letzten Jahren an Veränderung erleben. Ob es nun Begriffe sind wie sprunghafte Innovation, verkürzte Produkt- und Marktlebenszyklen, Disruption, Dynamik, Agilität oder sich selbst steuernde Organisationen. Die Leitbegriffe vieler Artikel finden sich hier wieder.
Angesichts der rasanten – vor allem technologischen – Entwicklungsgeschwindigkeiten in nahezu allen Lebensbereichen kann man dem Begriff VUCA also durchaus bescheinigen, dass er die Situation zutreffend charakterisiert.
Jetzt weiß man andererseits aus der Arbeits- und Organisationspsychologie, dass eine ‚VUCA-Welt‘ eher als feindselig erlebt wird. Menschen gelten generell als eine Spezies, die ein gewisses Maß an Sicherheit durchaus zu schätzen wissen. Man denke nur an das böse Wort der ‚Komfortzone‘, in der Menschen sich ganz gerne einrichten und nur ungern verlassen. Auch die Bemühungen von Berater- und Trainergenerationen, Mitarbeiter und Führungskräfte mit den Geheimnissen des Change Managements vertraut zu machen, waren bereits in der Vergangenheit nicht immer von Erfolg gekrönt. Und jetzt wird es auch noch VUCA, also noch schneller, noch unsicherer, noch komplexer und noch mehrdeutiger.
Soweit zur Beschreibung der Rahmenbedingungen, unter denen die Unternehmen agieren müssen und zu deren Bewertung.
Was machen wir nun mit dieser Erkenntnis, welche Konsequenzen für unser Handeln ziehen wir daraus?
Grenzen dicht und Brexit? Degrowth und Wachstumswende oder ‚Entwachstum‘ im Sinne einer Reduktion eines Konsum- und Produktionswachstums? Das sind durchaus relevante volkswirtschaftliche und gesamtgesellschaftliche Themen, die der Diskussion bedürfen.
Aber es gibt diese VUCA-Welt auch ganz konkret im aktuellen betrieblichen Kontext. Was bedeutet es für die Führungskräfte und deren Arbeit, wenn sich die Dinge immer schneller ändern? Wird die Führungskraft zum Bottleneck agiler Steuerung und schneller Entscheidungen? Wird sie von der Entwicklung einfach weggefegt? Modellversuche mit hierarchiefreien Unternehmen klingen weniger nach VUCA als vielmehr nach 1001 Nacht. Kostprobe gefällig?
„Wir sind ein menschenorientiertes und hierarchiefreies Unternehmen. Alle Beteiligten unseres Unternehmens sollen ihre Talente und Interessen frei entfalten, Freude haben und ständig lernen. Wir unterstützen unsere Leute und schaffen Gelegenheiten für Wachstum. Deshalb streben wir nach einem Netzwerk von selbständigen, unabhängigen und proaktiven Partnern, die je nach Bedarf kundenorientierte Teams bilden. Wir arbeiten aktiv an der Verbesserung der öffentlichen Argumentation- und Kommunikationskultur mit.“
(Quelle: http://www.ghezal-immobilien.de/de/index.php?menuks=269)
Die Rede ist in diesem Zusammenhang vielfach von der zu nutzenden Schwarmintelligenz oder der kollektiven Intelligenz als Basis hierarchiefreier und zumindest extrem flacher Hierarchien.
Hat Peter Drucker ausgedient und Unrecht, wenn er sagt:
„Only three things happen naturally in organizations: friction, confusion, and underperformance. Everything else requires leadership.“?
Drucker spricht interessanterweise nicht von ‘Leader’, sondern von ‚Leadership’.
Und wenn wir denn tatsächlich in einer solchen VUCA-Welt leben, dann – so meine feste Überzeugung – werden Orientierungshilfen wichtiger denn je. Die sogenannten normativen Elemente der Unternehmensstrategie wie Mission, Vision, und Werte spielen dabei eine herausragende Rolle. Natürlich ist auch die Strategie im engeren Sine erfolgskritisch. Die Planungs- und Anpassungszyklen werden aber kürzer sein, als dies früher der Fall war.
Leadership kann – und sollte m.E. wenn immer möglich – partizipativ ausgeübt werden. Partizipation, das Einholen der Mitarbeitermeinungen, erfordert jedoch Zeit. Und Disziplin. Denn wenn Zeit ein knappes Gut ist, dann sollte für Macht- und ‚politische‘ Spielchen kein Raum sein. Ich überlasse es dem geneigten Leser zu beurteilen, ob dies eine realistische Erwartung ist oder eher eine Utopie darstellt. Ich persönlich neige aus persönlicher Erfahrung eher zu Letzterem.
Ich denke, dass es nach wie vor Leader, starke Persönlichkeiten, braucht, die – um inhaltlich das o.a. Zitat aus der Ghezal-Immoblien-Website aufzunehmen – alle Beteiligten ihre Talente und Interessen frei entfalten, Freude haben und ständig lernen läßt. Die die Mitarbeiter unterstützt und Ihnen Gelegenheiten für Wachstum schafft.
Ich möchte nur eine – wenn auch entscheidende – Prämisse ergänzen: die persönlichen Interessen und Ziele stimmen in einem sehr hohen Maße mit den Unternehmenszielen überein.
Die Führungsaufgabe bleibt also, was sie immer war: eine spannende Herausforderung, die ein hohes Maß an Verantwortung und persönlicher Integrität bedarf.